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sumerisch-akkadische Beschwörungen

Typen von Beschwörungen


Marduk-Ea-Typ
- wenn das Ritual zur Reinigung eines Krankens zu vollziehen ist
- wenn das Ritual durch ein Zwiegespräch zwischen Marduk und Ea konstituiert wird

Enki-Typ
- wenn das Ritual zur Reinigung eines Krankens zu vollziehen ist
- wenn das Ritual durch einen Ausspruch oder durch Handlung Enki´s allein konstituiert wird
- die Schilderung des Ritualvollzugs durch Enki impliziert die Wirkung des Rituals, wann immer es vom Beschwörungspriester in Enki´s Namen wiederholt wird
- die für den Marduk-Ea-Typ charakteristische Mittlerrolle fehlt

Einleitungs- und Schlußthemata, sowie die Formulierung der Ritualanweisungen entsprechen bei dem Enki-Typ weitestgehend denen des Marduk-Ea-Typ. Der Enki-Typ ist vermutlich als Vorläufer des Marduk-Ea-Typ anzusehen und somit älter.
In Beschwörungen aus Fara und Ebla ist noch Enlil der Gott, der das heilende Ritual stiftet, während Enki als Verursacher von Krankheiten genannt wird. In späteren Beschwörungen ist die Rolle der beiden Götter genau umgekehrt. Bevor Asalluhi mit Marduk gleichgesetzt wurde, hatte er die Rolle eines Boten, der das von Enki gegebene Heilmittel überbringt, jedoch nicht selbst heilt. Asalluhi ist demnach wohl vor oder zu beginn der altbabylonischen Zeit (ab 1800 v.u.Z.) anzusetzen.

Prophylaktischer Typ
- wird am Ende des Rituals angesetzt, um die Dämonen endgültig zu vertreiben und zugleich an der Rückkehr zu hindern

Weihungstyp
- wenn die Beschwörung auf einen Gegenstand bezogen ist, der im Ritual verwendet wird
- wenn die Wirkung des Ritualmittels durch Berufung auf die Eigenschaften oder das Wirken von Göttern konstituiert ist


Die Tontafeln aus Sultantepe stammen aus der Zeit Sanherib´s (745-680 v.u.Z.), die aus Ninive entstammen der Bibliothek des Assurbanipal (669-629 v.u.Z.), andere aus spätbabylonischer Zeit (626-539 v.u.Z.)

Im Falle der Tontafeln auf sumerisch und akkadisch wurden beide Sprachen, abwechselnd je Zeile verfasst. Mit Ausnahme der Götter- und Dämonennamen sind sie aber nahezu identisch vom Inhalt.

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Beschwörungen


Unterschrift:
(17) Wortlaut (der Beschwörung) des Weihrauchs
én na-NE kur-ta ri-a kur-ra-ta sig7-ga
(Weihungstyp - Ninive, spätbabylonisch)

01. Beschwörung. Der Weihrauch, im Bergland erzeugt, im Bergland gewachsen -
02. reinigend ist er, der aus dem Bergland hervorgegangene!
03. Wacholder, Zedernaroma, Weihrauch, im Bergland erzeugt!
04. Der Tüchtige hat den Weihrauch gegeben,
05. das hohe Gebirge hat er gereinigt!
06. Das reinigende Räucherbecken, mit furchtbaren Aussahen angetan,
07. gutes Öl, (...)-Öl, das Zubehör für den Tisch,
08. das Zubehör für die reine Abendmahlzeit, jegliches Reine,
09. diesen gewachsenen Weihrauch ließ er hervorgehen!
10. Wie der Himmel soll er rein werden, wie die erde soll er lauter werden, wie die Himmelsmitte soll er strahlend werden!
11. Die böse Zunge soll zur Seite treten!

Zuna-dè (akkadisch: qutrenu) = ”Weihrauch“
á-gál  = ”tüchtig“ - Mit dieser Bezeichnung ist wahrscheinlich eine Gottheit gemeint, die den Weihrauch als magisch wirksames Mittel bereitstellt. Das Epitheton wird auf verschiedene Gottheiten angewandt, u. a. auf Marduk und Ninkarrak

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Unterschrift:
(5) Wortlaut (der Beschwörung) der Freilassung einer Taube
dingir.nam-tar [u]dug gal urugal-la kur n[u-g]i4-gi4-ke4
(Marduk-Ea-Typ - Ninive, Sultantepe)

(sumerisch)
01. Namtar, großer udug des Grabes, des Landes ohne Wiederkehr,
03. Namtar, Kurier der Götter,
05. Namtar, der den Menschen in Not(?) versetzt, dessen Gang niemand kennt –
07. Das Innere des Kranken kennt niemand,
09. das Gift des Kranken sieht niemand.
11. Asalluhi erblickte ... ; was ich ... ; gehe, mein Sohn!
12. Der Vogel des Himmels, die Taube des Himmels,
14. (ist) der Beschwörungspriester, der Seher von Enki!
16. ”Zeder (und) Wacholder von An“ ist der Ausspruch!
18. Den Vogel des Himmels, die Taube, lasse frei!
20. Wenn du (sie) nach Sonnenaufgang fliegen lässt,
21. (sie) nicht nach Sonnenuntergang fliegen lässt,
24. (dann) soll er (der Kranke) [in] die [gnädigen Hände seines] Gottes zurückkehren!

(akkadisch)
02. Namtaru, großer utukku des Grabes, des Landes ohne Wiederkehr,
04. Namtaru, der Kurier der Götter,
06. Namtaru wurde (dem) ruhelosen Menschen auferlegt, seinen Gang kennt niemand –
08. das Wesen seiner Krankheit kennt niemand,
10. das Gift seiner Krankheit ist unsichtbar.
13. Der Vogel des Himmels, die Taube des Himmels,
15. ist der Beschwörungspriester, der Seher von Ea!
17. ”Zeder (und) Wacholder von Anu“ ist dein Ausspruch!
19. Den Vogel des Himmels, die Taube, lasse frei!
22. Wenn sie nach Sonnenaufgang flog,
23. nicht (aber) nach Sonnenuntergang flog,

In einem assyrischen Ritual zur Investitur des Königs findet sich eine akkadische Beschwörung, die wohl bei der Freilassung eines Vogels zu rezitieren ist. Sie lautet wie folgt:
17. Beschwörung. Du bist ein Vogel des Himmels, ein Geschöpf [des Anu],
18. ich bin ein Mensch, ein Geschöpf der N[inmenanna].
19. Ich rief den Vogelfänger, er fing [dich].
20. Ich bewahre (hiermit) dein Leben, lasse dich [das Licht] sehen –
21. bewahre (nun) du, Šamaš, [mein Leben]!
22. Ebenso, wie ich diesem Vogel (hiermit) das Leben schenke, schenke du mir mein Leben!

Namtar, dessen Name hier durchgehend mit dem Götterdeterminativ geschrieben ist, wird hier als Unterweltsgottheit vorgestellt, wirkt jedoch in Z.5/6 als Krankheitsdämon. Diese beiden Aspekte Namtars sind zwar gut belegt, jedoch werden sie sonst nicht innerhalb eines Textes angesprochen.


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Unterschrift:
(8) Der bösartige Finger der Menschheit.
én lù-lù lù-lù lál lál u18-lu lú an-dul
(Enki-Typ - Ninive, Sultantepe)

(sumerisch)
01. Beschwörung. Trübung, Trübung! Gebundenheit, Gebundenheit!
Der u18-lu-Dämon überwältigte den Menschen,
03. Trübung ist es, Gebundenheit ist es,
05. die Fesselung des Landes,
07. die schlimme Krankheit der Menschheit.
09. Der Böses bewirkende Blick eines Ruhelosen,
11. blickte in die Ecke: die Ecke machte er leer;
13. er blickte in den Winkel: den Winkel machte er leer;
15. das Gemach des Landes blickte er an: das Gemach des Landes machte er leer;
17. den ruhelosen Menschen blickte er an:
19. wie abgeschnittenes Holz beugte er seinen Nacken zu Boden.
21. Enki erblickte diesen Menschen:
23. Brot legte er auf sein Haupt,
25. Brot brachte er mit seinem Körper in Berührung,
27. das Gebet des Lebens sprach er für ihn:
29. Der Mensch der seinem Gott zugehört, bist du!
31. Das Brot, – nachdem ich es mit deinem Haupt in Berührung brachte –
33. das Brot, mit dem ich deinen Körper reinigte,
35. soll deine Krankheit lindern(?) – du aber bist es, der am Leben bleibt!
37. Auf dem Boden des Lebens wird dein Fuß stehen!


Im vorliegenden Fall sieht das Ritual die Reinigung eines Kranken von den Folgen des ”bösen Blicks“ vor. Diese Folgen werden explizit als ”Krankheit“ bezeichnet: der ”böse Blick“ steht somit als schädliche Wirkungskraft in einer Linie mit Dämonen und anderen Übeln.

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(21)
én udug hul eden-na-zu-[šè]
(Prophylaktischer Typ - Ninive, spätbabylonisch)

(sumerisch)
01. Beschwörung. Böser udug, in deine Steppe!
03. Böser a-lá, in deine Steppe!
05. Böser gidim, in deine Steppe!
07. Böser gal5-lá, in deine Steppe!
09. Böser Gott, in deine Steppe!
11. Böser maškim, in deine Steppe!
13. Deinen Wasserschlauch sollst du nehmen,
15. deinen [Proviant] sollst du nehmen,
17. deinen Ledersack sollst du nehmen!
19. Dein Standort ist nicht im Sonnenaufgang,
21. dein Wohnsitz ist nicht im Sonnenuntergang!
23. Deine Speise ist die Speise des Totengeistes,
25. dein Trank ist der Trank des Totengeistes!
27. Bei dem Menschen, der seinem Gott zugehört,
29. sollst du in den Ecken nicht stehen,
31. sollst nicht in den Winkeln bei ihm sitzen!
33. Innerhalb der Stadt sollst du nicht um ihn her schweifen,
35. außerhalb von ihr sollst du nicht um ihn herschweifen!
37. Zum Grund der Unterwelt, in deine Finsternis gehe!
39. Bei den großen Göttern beschwöre ich dich hiermit: du sollst weggehen!


Durch die sprachliche Formulierung erweist sich der Text als ein Repräsentant der Wortmagie, bei der das Aussprechen des Textes die magisch wirksame Handlung darstellt. Die Beschwörung ist also ein performativer Sprechakt im Kontext eines magischen Rituals.




Quelle:
Wolfgang Schramm: "Ein Compendium sumerisch-akkadischer Beschwörungen"
erschienen als Band 2 in der Reihe „Göttinger Beiträge zum Alten Orient“ im Universitätsverlag Göttingen 2008
Weblink: http://webdoc.sub.gwdg.de/univerlag/2008/GBAO_Bd2_schramm.pdf





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